"Jugendsünde"

Im bayerischen Landtags-Wahlkampf ist ein Begriff aufgetaucht, den man eigentlich eher in der Biografiearbeit erwarten würde: "Jugendsünde". Doch was ist das eigentlich?
Zunächst einmal könnte man die Jugendsünde als ein abweichendes Verhalten im weitesten Sinne ansehen. Man hat über die Stränge geschlagen ("Da bin ich richtig abgestürzt."), hat sich einen modischen Ausrutscher geleistet ("Das trug man damals so."), hat gegen Regeln oder Gesetze verstoßen ("Und plötzlich war da ein Loch in der Scheibe.") oder hat sich politisch in Bereichen positioniert, die jenseits des freiheitlich-demokratischen Grundkonsens sind/waren.
Interessant ist es, wie man dieses Verhalten im Nachhinein interpretiert bzw. wie es von anderen eingeschätzt wird: War es ein Ausrutscher, ein Ausprobieren, ein Ausloten von Möglichkeiten? Eine Lappalie. Ein Verhalten bedingt durch pubertär-hormonelle Verwirrung?
Ist das abweichende Verhalten aus einer (vermeintlichen) Notwendigkeit heraus erfolgt? ("Ich war jung und brauchte das Geld.")
Oder deutet man eine Jugendsünde als ein Indiz für eine persönliche Eigenschaft (meist eine Schwäche) oder grundlegende weltanschauliche Haltung: "Siehst Du, damals hat man schon erkennen können..."
Wie gehe ich heute mit dieser Lebenserfahrung um? Stehe ich zu meiner Jugendsünde oder schäme ich mich dafür? Möchte ich sie am liebsten geheim halten? Wie gehe ich damit um, wenn andere meine Jugendsünde publik machen und mich damit eventuell beschämen?
Noch interessanter erscheint die Frage, ob jemand etwas aus seiner Jugendsünde gelernt hat und wenn ja, was. Welche Konsequenzen habe ich daraus für mich gezogen? Was wüsste ich heute nicht, wenn mir das nicht passiert wäre? Habe ich eventuell entstandenen Schaden wieder in Ordnung gebracht? Was habe ich über das Thema Verantwortung gelernt?
Und zuletzt eine gedankenspielerische Frage: Was ist eigentlich das Gegenteil von "Jugendsünde"?